19.02.17, Kundgebung in Erinnerung an Jaja Diabi

Die Initiative für ein Gedenken an Jaja Diabi hatte für dieses Wochenende eine Konferenz und eine Kundgebung zum Gedenken an Jaja Diabi organisiert.
Bei Niesel-Wetter kamen heute dennoch etwa 100 Menschen zusammen, um Jaja zu Gedenken – mit Reden, Gebeten, Musik, Blumen und einer Schweigeminute.
Es war ein würdiges und kräftiges Zeichen.

Wir haben eine Grußbotschaft aus Hannover verlesen, leider nur auf Deutsch – sonst waren fast alle Beiträge mindestens auf Englisch gehalten worden.

Redebeitrag auf der Kundgebung:

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich überbringe euch eine gemeinsame Grußbotschaft der Kampagne Halim Dener, der Roten Hilfe aus Hannover und TATORT Kurdistan Hamburg.

Vor 23 Jahren wurde in Hannover ein junger Mann erschossen. 16 Jahre alt, Flüchtling aus der Türkei, politisch engagiert. Halim Dener, erschossen von einem Polizeibeamten.
Halim Dener wurde erschossen, weil er Plakate klebte. Er klebte Plakate, da er sich einsetzen wollte für die kurdische Bewegung.

Die Polizei sprach von einem Unfall.
Der Korpsgeist der Polizei schützt den Täter, die Justiz schützt den Täter. Ergebnis: Der Täter bleibt unbehelligt.
Das ist die Regel: Polizeibrutalität bleibt unbehelligt. Das ist bis heute so und nicht anders.
Die Liste der durch Polizeibrutalität zu Tode gebrachten ist lang: Philipp Müller, Petra Schelm, Oury Yalloh, Aamir Ageeb, Slieman Hamades, Achidi John und viele viele mehr. So auch Jaja Diabi, dessen wir heute gedenken.

Halim Dener kam Anfang der 1990er Jahre als Flüchtling nach Deutschland.
Er kam in ein Land, das von seinen BürgerInnen forderte stolz zu sein – auf Deutschland. Er kam in ein Land, in dem Wohnhäuser und Unterkünfte von MigrantInnen brannten, u.a. in Lübeck, Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und vielen mehr

Wie viele andere suchte er Sicherheit und Leben.
Er kam in ein Land, das ihm diese Wünsche nicht erfüllen wollte – 1993 war das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft worden. Flüchtenden schlug von Teilen der Bevölkerung, aber vor allem Seitens der Behörden, blanker Rassismus entgegen.
Schon auf der großen Trauerdemonstration für Halim Dener 1994 hatte eine der Forderungen geheißen: Bleiberecht für alle!
– heute müssen wir diese Forderung wiederholen: Bleiberecht für alle!

Die Ansage des Staates an diejenigen, die hier Sicherheit und Schutz suchen, die Ansage des deutschen Staates lautet: Vor uns seid ihr nicht sicher.

Halim Dener war, wie viele andere Jugendliche, nach Inhaftierung und Folter alleine aus den kurdischen Kriegsgebieten in die BRD geflohen. Hier hatte er Asyl wegen politischer Verfolgung beantragt – einer Verfolgung, für die die BRD Regierung mitverantwortlich zeichnet, bis heute.
Verantwortlich zeichnet sie auch für die dreckigen Deals mit der türkischen Regierung. Das war Anfang der 1990er so und das ist heute immernoch so. Die kurdische Bewegung wird verfolgt, Aktivistinnen vor Gerichte gezerrt und mit abenteuerlichen Begründungen zu Haftstrafen verurteilt.
Wir fordern: Das Verbot der PKK muss fallen!

Verantwortlich zeichnet die BRD mit ihren Waffenexporten und mittlerweile direkten Beteiligung an Kriegen weltweit für Flucht und Vertreibung – all derer, die hier Schutz suchen.
Doch die Ansage des deutschen Staates lautet: Vor uns seid ihr nicht sicher.
Mit Gesetzgebung und unterstützt durch Presse wird der Polizei sozusagen freie Hand gegeben – zur Jagd auf alle, die anders aussehen.
Interessiert es die Beamten und Beamtinnen, dass das so genannte ‚racial profiling‘ mittlerweile untersagt ist?
Es interessiert sie nicht.
Nicht nur die Vorfälle in Köln haben das gezeigt.
Wer in den Innenstädten unterwegs ist und die Augen aufhält, kann dies sehen.
Ob mit einer speziellen Polizeieinheit wie hier in Hamburg oder sozusagen einfach so: rassistisch motivierte Kontrollen sind an der Tagesordnung.

Viel zu oft enden solcherlei Begegnungen für die Kontrollierten tödlich.

Die Justiz will die Umstände des Todes von Christy Schwundeck nicht klären.
Die Justiz will die Umstände des Todes von Halim Dener nicht klären.
Die Justiz will die Umstände des Todes von Oury Jalloh nicht klären.
Die Justiz will die Umstände des Todes von Jaja Diabi nicht klären.
 
Wir fordern: Lückenlose Aufklärung rassistischer Polizeigewalt!

In den meisten Fällen reicht der Alltagsrassismus der deutschen Beamtenschaft, in den meisten Fällen reicht die weit verbreitete Verachtung gegenüber Menschen, die scheinbar nicht genau in die vorgegebene Gesellschaftsform passen.

Das ist eine Geisteshaltung, die die Schergen der Oberen seit jeh her prägt.
Das ist eine Geisteshaltung, die mit viel Aufwand von den Denkfabriken der Konzerne und Regierungen immer wieder hergestellt wird.
Das ist eine Geisteshaltung, die gebraucht wird, um Solidarität von unten immer wieder verhindern zu können.
Doch Gedenken heißt Handeln.

Solidarität muss praktisch werden:
Wir selbst können Verbindungen aufnehmen mit migrantischen Freundinnen und Freunden, wir selbst können dafür sorgen, dass wir gemeinsam überall und alltäglich mit ihnen zusammen feiern, arbeiten, voneinander lernen und gemeinsam kämpfen!
Wir können das von Seiten des Staatsschutzes immer und immer wieder thematisierte Interesse daran, uns zu vereinzeln, uns zu isolieren, durchbrechen.

Dieser Kampf braucht die Erinnerung!
Wir fordern einen angemessenen Umgang damit.
Mit der Erinnerung damit, was in der Stadt geschehen ist. Die Verfolgung von MigrantInnen und Migranten ist ein Teil der deutschen Geschichte, so wie zum Beispiel der Tod von Halim Dener ein Teil der Stadtgeschichte von Hannover ist.
Wir fordern einen Ort des würdevollen Gedenkens an Halim Dener.
Des Gedenkens an Halim Dener und seine Geschichte. Die Geschichte von Krieg mit deutscher Unterstützung, von Folter, von Flucht und Vertreibung, von Kriminalisierung und Verboten, von Tod durch Polizeigewalt.

Genau so fordern wir einen Ort des würdevollen Gedenkens an alle von der Polizei erschossenen. An allen Orten, wo dieses geschah.

Wir fordern: Lückenlose Aufklärung aller Fälle von Polizeigewalt!
Seht hin, hört hin, sprecht an, fragt nach, greift ein, holt Unterstützung!
Seht hin, greift ein!

Vielen Dank,

die Kampagne Halim Dener, die Rote Hilfe aus Hannover und TATORT Kurdistan Hamburg